Wir erzählen Geschichten, um herauszufinden, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, sagt Salman Rushdie. Der Autor über seine Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, die Bedeutung der Literatur und sein Leben nach dem Attentat
Herr Rushdie, Ihr Werk ist für mich eine Landkarte zur Vermessung unserer Gegenwart – einschließlich Ihres jüngsten Romans „Victory City“, auch und gerade, weil er in der Vergangenheit spielt. Aber erst mal: Herzlichen Glückwunsch zumAktuelle Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die digitale Zeitung. Hier gratis herunterladen.
Ich habe den Eindruck, heute herrscht ein Kampf zwischen extremistischen und totalitären Denkern, die die Kunstfreiheit, die Redefreiheit und die Freiheit der Literatur einschränken wollen, und denen, die diese Freiheiten verteidigen. Als ich dann meinen letzten Roman „Quichotte“ beendet hatte, fiel mir auf, dass ich nun fast ein ganzes Jahrzehnt lang drei Romane hintereinander geschrieben hatte, die in erster Linie in den USA spielten. Diese Romane waren zwar formal sehr unterschiedlich, handelten aber alle von der Merkwürdigkeit dieses Landes. Und ich dachte mir: jetzt aber Schluss damit. Ich will mal wieder nach Hause! Und dann ist mir diese Geschichte mit Südindien wieder eingefallen.
Ich glaube, Literatur stillt eines unserer elementaren Grundbedürfnisse. Wenn Kinder zur Welt kommen, brauchen sie zunächst Sicherheit, Nahrung, Liebe und so weiter. Aber sobald dafür gesorgt ist, fragen sie recht bald: Erzähl mir eine Geschichte! Wir sind das Geschichten erzählende Tier. Wir sind die einzigen Wesen auf diesem Planeten, die das tun.
Als wir uns das letzte Mal unterhielten, haben Sie mir erzählt, wie überrascht Sie vom Wiedererstarken der Religionen im 21. Jahrhundert hat. Welche Gründe sehen Sie dafür?
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